Willemers Informatik-Ecke
Das X Window System verhält sich an vielen Stellen etwas anders und so
werden Benutzer anderer grafischer Oberflächen manchmal etwas überrascht
sein. Das hängt einerseits damit zusammen, dass einige Elemente und Programme
noch dem Athena Widget Set entstammen, die heute etwas archaisch wirken.
Dazu kommt die Steuerungsmöglichkeit von Programmen durch Aufrufe von der
Shell und die Art der Konfiguration. Einige dieser Kuriositäten sind mit
den moderneren Desktops bereits verschwunden, andere liegen nur verborgen
unter der bunten Oberfläche.
Bedienungselemente des Athena Widget Set
Alt, aber verfügbar
Einige X-Programme haben sich durch die Jahrzehnte erhalten.
Sie wurden mit dem ersten verfügbaren Widget Set, dem
Athena Widget Set (AWS) geschrieben. Die Elemente wirken heute
etwas spartanisch, da ihnen die dreidimensionalen Effekte
neuerer Systeme fehlen. Auch die Bedienung ist teilweise ungewöhnlich.
Da aber immer die Chance besteht, Programmen zu begegnen, die auf dem AWS
basieren, macht es Sinn, die Bedienung kurz zu betrachten.
Zu den mit dem AWS geschriebenen Programmen gehören einige Klassiker.
- xman
-
Das Program zeigt die Manpages.
Nach dem Start erscheint erst ein kleines Fenster, das eigentlich
nur den Zweck hat, dass man auf den Button >>Manual Page<< drückt.
Nun erscheint das eigentliche Hauptfenster von xman.
Das Menü besteht nicht aus einer Menüleiste, sondern aus Buttons,
denen man eine Menüleiste angehängt hat.
Im Menü Options verbirgt sich der Punkt >>Show Both Screens<<. Damit teilt
sich das Fenster von xman waagerecht. Diese Linie wird rechts durch ein
kleines Rechteck unterbrochen, mit dessen Hilfe man die Trennlinie verschieben
kann. Im oberen Fenster bekommt man nun ein Fenster mit den angebotenen
Manpages und im unteren sieht man davon die zuletzt angeklickte.
Unter dem Menüpunkt Sections findet man die angebotenen Büchereien und
so kann man mit xman auch dann noch Hilfe finden, wenn man nicht ganz genau
weiß, was man eigentlich sucht.
- xterm
-
xterm ist eine Terminalemulation. Mit xterm hat man eine
Shell zur Verfügung wie in einer Textoberfläche.
- xcalc
-
Dies ist ein mathematisch wissenschaftlicher Taschenrechner.
- xpaint
-
Ein einfaches Malprogramm für das Erstellen von Grafiken.
- xedit
-
Ein einfacher Texteditor, der aber vielleicht für Einsteiger nicht ganz
so ungewohnt ist wie vi oder emacs.
Rollbalken
Der Rollbalken erscheint auf der linken Seite des Fensters und dient in
erster Linie der optischen Rückmeldung. Er wird durch die drei Maustasten gesteuert.
Allerdings ist die Steuerung für Benutzer anderer grafischer Oberflächen etwas
ungewohnt.
- linke Maustaste:
-
Blättert weiter. In welcher Schrittgröße vorgegangen wird, hängt davon ab, wo sich der Mauszeiger befindet. Ist er oben, ergeben sich kleine Schritte. Ist er unten, werden die Schritte größer.
- rechte Maustaste:
-
Blättert zurück. Auch hier hängt die Schrittgröße in gleicher Weise von der Position des Mauszeigers im Rollbalken ab.
- mittlere Maustaste:
-
Bewegt den Rollbalkenschlitten an die aktuelle Mausposition. Bei PCs mit nur
zwei Maustasten wird die mittlere Taste oft durch das Drücken beider Tasten
gleichzeitig emuliert.
Menüs
Menüs befinden sich beim Athena Widget Set nicht zwingend in der obersten Zeile.
Sie sind manchmal gar nicht als solche zu erkennen, da ein Menükopf aus Sicht
des AWS nichts anderes als ein normaler Button ist.
Trennbalken
Recht früh kannte X bereits das Kontrollelement des Trennbalkens. Dieser Balken
hat in der Nähe der rechten Seite eine Verdickung in Rechteckform. Wenn man
diese mit der Maus ergreift, kann man den Balken verschieben.
Der Aufruf von X-Programmen
Wenn man X-Programme von der Shell aus startet, setzt man an das Ende der
Zeile ein kaufmännisches Und & und schiebt sie damit in den Hintergrund,
um die Shell anschließend frei zu haben.
Gleiche Optionen aller X-Programme
Die meisten X-Programme übergeben beim Start alle Parameter an die X-Funktion
XtAppInitialize(), die auch für die Initialisierung des Programms
zuständig ist.
Diese durchsucht die Parameter nach Optionen, die sich an das X richten.
Dazu gehören beispielsweise -fg oder -bg zum Verändern der Farben.
Da die Optionen bei allen Programmen von der gleichen Funktion ausgewertet
werden, sind die Optionen auch durchgängig für alle X-Programme gültig. Leider gilt das nicht unbedingt für Programme von KDE oder GNOME.
Der folgende Aufruf startet xman mit einem gelben Hintergrund und roten
Buchstaben.
xman -bg yellow -fg blue &
|
Neben der Möglichkeit, diese Optionen aus einer Shell den Programmen
mitzugeben, haben diese Optionen vor allem ihren Einsatz, um aus Skripten
gestartet zu werden, beispielsweise aus der bereits genannten xinitrc.
Die folgende Tabelle zeigt einige der wichtigsten Optionen, die man
unter X verwenden kann.
Option | Wirkung |
-display display | zu verwendender X-Server |
-geometry geometry | Startposition und Größe des Fensters |
-bg color, -background color | Farbe Fensterhintergrund |
-bd color, -bordercolor color | Farbe Fensterrand |
-bw pixel, -borderwidth pixel | Breite des Fensterrand |
-fg color, -foreground color | Vordergrundfarbe |
-fn font, -font font | verwendeter Zeichensatz |
-iconic | Programm bei Start als Symbol abstellen |
-title string | Der Titel im Schiebebalken |
Die kursiv angegebenen Parameter bedürfen noch einer näheren Erläuterung.
- geometry
-
Die Geometrie ist die Ausdehnung des Fensters. Als Parameter wird ohne
Leerzeichen hintereinander Breite x Höhe + X-Abstand + Y-Abstand zur linken
oberen Ecke angegeben. Beispiel:
xcalc -geometry 90x120+60+40 &
|
Die Abstände können auch durch ein Minuszeichen angegeben werden. Dann
beziehen sie sich die Abstände auf die untere bzw. rechte Kante.
Eine Mischung ist möglich.
- display
-
Der Display ist die exakte Bezeichnung des X-Servers, auf dem das Programm
ablaufen soll. Der Aufbau lautet
Host:Display.Screen.
Der Hostname ist der übliche Name des Rechners, wie er beispielsweise in der
/etc/hosts hinterlegt wird. Der Display ist eine Einheit aus
Bildschirm, Maus und Tastatur und wird je Rechner durchnummeriert. Da die
wenigsten Rechner heutzutage noch mehr als einen solchen Arbeitsplatz
zur Verfügung stellen, ist diese Zahl meistens 0. Mit dem Screen wird der
Bildschirm des Displays bezeichnet. Wenn ein Arbeitsplatz mit zwei
Bildschirmen ausgestattet ist, werden diese ebenfalls durchnummeriert.
Auch dieser Fall ist eher selten und darum ist der
Screen meistens 0 und kann auch inklusive Punkt völlig weggelassen werden.
Soll die Anwendung auf dem
lokalen Host stattfinden, kann der Name weggelassen werden, aber der Doppelpunkt
und die folgende 0 muss bleiben.
Beispiel: gaston:0 oder localhost:0.0 oder :0
- color
-
Farben können oft mit ihren englischen Namen verwendet werden,
die in /usr/lib/X11/rgb.txt definiert sind.
Alternativ
gibt es die Möglichkeit, sie als RGB-Werte anzugeben.
Beispielsweise als rgb:50/99/99.
- pixel
-
Bildpunkte auf dem Bildschirm.
- font
-
Der Zeichensatz kann nach Schriftart, -größe oder -attributen eingegrenzt
werden.
Cut and Paste
Aktive Markierung
Unter X gibt es einen extrem schnellen Mechanismus, Texte zwischen Anwendungen
per Maus auszutauschen, der sich von anderen grafischen Oberflächen stark
unterscheidet. Im ersten Schritt wird der zu kopierende Textbereich
markiert. Das wird durch Überstreichen mit der Maus bei gedrückter linker
Maustaste erreicht. Es kann immer nur eine Markierung im X geben. Wird etwas
anderes in einem anderen Fenster markiert, wird die bisherige Markierung
aufgehoben. Durch die mittlere Maustaste wird das Markierte unter dem
Mauszeiger als Texteingabe eingefügt. Das betroffene Fenster muss zu diesem
Zeitpunkt nicht den Fokus haben, oder anders ausgedrückt, nicht aktiv sein.
Cut an Paste: X gegen StarOffice
Einige Programme, wie etwa StarOffice oder Netscape verwenden das von
MS-Windows oder MacOS bekannte Verfahren des Cut and Paste über ein
so genanntes Clippboard. Dabei wird mit ctrl-C
(oder ctrl-insert) die Markierung auf das Clipboard kopiert und mit ctrl-V
(oder shift-insert) der Clipboardpuffer wieder eingefügt. Alternativ zum
Kopieren kann auch mit ctrl-X (shift-delete) der markierte Bereich entfernt
und auf das Clipboard gelegt werden. Der Austausch mit anderen X-Programmen
ist zumindest bei StarOffice gewährleistet, da Markierungen außerhalb von
StarOffice aus dessen Sicht im Clipboard stehen und das Clipboard von
StarOffice vom restlichen X als aktive Markierung angesehen wird.
Soll also ein Text im xterm in ein geöffnetes Dokument von StarOffice
gelangen,
markiert man den Text im xterm und gibt im StarOffice an der
Zielstelle ctrl-V ein. Um einen Text aus dem StarOffice ins xterm zu
bringen, markiert man ihn im StarOffice, drückt ctrl-C und kann ihn nun im
xterm durch Drücken der mittleren Maustaste einfügen.
Weitere praktische Helfer
Fenster einschlagen
Das Programm xkill verwandelt den Mauszeiger in einen Totenkopf,
denn es beendet das Programm, in dessen Fenster als nächstes geklickt wird.
xwd - Hardcopy
Mit dem Programm xwd kann man eine so genannte Hardcopy vom Bildschirm
herstellen.
Das Programm wird gestartet, dann wird mit der Maus der zu kopierende Bereich
markiert. Ein Kontrollpiep meldet, dass der Bereich erfasst ist. Die
Ausgabe wird nach stdout geschrieben oder durch die Option -o umgeleitet.
Das Format dieser Datei nennt sich XWD und ist ein originäres X Window Format.
Zum Betrachten dieser Bilder gibt es das Programm xuwd, aber auch
moderne Programme wie gimp können mit diesem Format umgehen.
Zusätzliche, kleinere Komfortprogramme werden ebenfalls mitgeliefert.
xclock ist eine Uhr, xcalc ein kleiner Taschenrechner. Mit xload kann man sich
die Belastung der Maschine ansehen. xbiff meldet, wenn E-Mail eingetroffen ist.